Neues Verständnis entwickeln: Sexuelle Aufklärungsarbeit wichtiger denn je

Die Gesellschaft wandelt sich. Doch während Themen politischer oder sozialer Natur offen besprochen werden, bleiben tabuisierte Aspekte wie die Sexualität weiterhin im Hintergrund. Allerdings benötigen diese relevanten Felder gleichfalls eine starke Aufmerksamkeit, denn sie bleiben von den Veränderungen nicht ausgeschlossen.

Offen, flexibel und neugierig: So präsentiert sich die Gesellschaft und suggeriert, neue Dinge willkommen zu heißen. Wer glaubt, dass sich diese angebliche Einstellung auf alle Lebensbereiche des zwischenmenschlichen Miteinanders bezieht, liegt falsch. Wenn es um Sexualität geht, reagiert ein Großteil der Menschen noch immer zurückhaltend oder verschämt. Dabei weiß jeder: Alle tun es, aber niemand spricht darüber!

Dabei durchläuft der Umgang mit dem Thema Sexualität einen enormen Wandel und befindet sich längst im Zentrum der gesellschaftlichen Mitte. Der Zugang zu Freizügigkeit und der kommunikative Austausch sind durch soziale Netzwerke zur Normalität geworden. „Was ist Masturbieren?“, fragt heute niemand mehr hinter vorgehaltener Hand. Heute wird offen über die Spielarten und Möglichkeiten der sexuellen Freuden gesprochen.

Ältere Generation als Zielgruppe

Während die jüngere Generation mit dem Selbstverständnis aufwächst, dass die Geschlechterfrage mehrere Antworten kennt oder ein Zusammenleben in einer Dreier-Beziehung funktionieren kann, fremdeln ältere Generationen oft mit der neuen Normalität. Für Neugierige und Interessierte bietet die Stadt Hamburg ein breites Angebot an sexueller Aufklärung an, um sich auf unbekanntes Terrain zu wagen. Das Team der „sex.education“, welches aus freiberuflichen Sexualpädagogen besteht, stellt unter anderem ein großes Programm an Workshops oder Kursen zur Verfügung, die über sexuelle Orientierung, Sexualität in den Medien oder Schönheitsideale und Bodyshaming aufklären. Die Bandbreite zeigt, wie stark der Einfluss von Sexualität auf scheinbar ferne Themenkomplexe ist.

Auch der Hamburger Verein „Wir haben Lust“ fordert, dass häufiger und ungehemmter über Sex gesprochen werden sollte. Die ehrenamtlichen Berater und Experten stehen für größere Diskussionsrunden oder private Einzelgespräche zur Verfügung, um einen sicheren Raum zu schaffen. Wichtig ist nur, dass sich den Themen unvoreingenommen gestellt wird und eine gewisse Bereitschaft an Weiterbildung besteht. Sprechen, miteinander reden, zuhören: Die Grundlagen sind so einfach, um unbekannte Dinge schneller aufzufassen. Es geht um das Verstehen der neuen Lust und die Akzeptanz, dass Begriffe wie Transgender oder Cis existieren und Pronomenwahl kein Trend ist.   

Sexuelle Aufklärungsarbeit

Aufschließen statt abgehängt werden

Zwischen Jugend und Erwachsenen klafft eine große Verständnislücke, in der das unterschiedliche Verständnis von Sexualität nur ein relevantes Thema ist. New Work, Selbstverwirklichung oder die Frage nach einem zeitgemäßen Arbeitsmarkt sorgen für Gesprächsbedarf und erhitzen die Gemüter. Dass sich auf beiden Seiten extreme Meinungen bilden, ist kaum anzuzweifeln. Doch statt auf Standpunkten zu verharren, gilt es, die Sichtweise des Gegenübers einnehmen zu können.

In diesem Kontext macht die sexuelle Aufklärung für Erwachsene keine Ausnahme. Um zu verstehen, warum Gruppierungen handeln und agieren, wie sie es tun, muss das große Ganze betrachtet werden. In welcher Zeit lebten andere Personen? Welche Ära hat nun begonnen? Ist es wichtig, dass ein Wandel geschieht? Keineswegs muss jede Neuerkenntnis gutgeheißen werden, aber die Offenheit, sich damit auseinanderzusetzen, zeigt, dass neue Dinge wahrgenommen werden. Ausschließlich mit diesem Ansatz kann die Lücke zwischen den Generationen auf allen Ebenen sicherlich nicht geschlossen, in jedem Fall aber verkleinert werden.