Poker – weitaus mehr als nur reines Glückspiel

Wird Poker bald offiziell aus der Riege der klassischen Glücksspiele ausgeschlossen und in die Kategorie der Denkspiele aufgenommen? Das Kartenspiel, das aus keinem Casino wegzudenken war, gilt inzwischen nämlich in erster Linie als schlaues Strategiespiel mit weltweiten Turnieren im Stil von Schachmeisterschaften und einer zunehmenden Zahl von Profispielern, die mit geschicktem Bluffen ihren Lebensunterhalt verdienen.

Poker – ein Gentleman-Spiel sogar für Präsidenten

Poker war einst das Spiel der Mississippi-Raddampfer, eingeführt von Einwanderern, die europäische Varianten in Amerika etablierten. Gespielt wurde zunächst eine Form von Draw-Poker und 5-Card-Draw, später während des Zweiten Weltkriegs entwickelte sich 7-Card-Draw, begeistert gespielt von den US-Präsidenten Eisenhower und Truman. Während man bei Poker zunächst an verrauchte Hinterzimmer und illegale Spielaktivitäten dachte, vor allem weil „Bluffen“ einen wichtigen Teil des Spiels ausmacht, wandelte sich der Ruf des Spiels über das letzte Jahrhundert hinweg stark. Inzwischen ist es gesellschaftlich anerkannt, gilt mehr als Denksport und Strategiespiel, und sogar Barack Obama erwähnt in seiner jüngsten Biografie „A Promised Land“ begeistert seine Poker-Herrenrunde als fester Bestandteil seines intellektuellen Lifestyles.

Weiterentwickelt haben sich auch die unzähligen Varianten von Poker, besonders mit der Zunahme von Online-Glücksspiel. Texas Hold’em, Omaha Hi-Lo, Stud wie auch Draw Poker verwenden verschiedene Strategien. Dabei gilt Texas Hold’em in Spielhallen wie auch Internet-Casinos als die beliebteste und am leichtesten zu erlernende Spielweise. Daher wird es auch auf Turnieren am häufigsten gespielt.

Kein Glück nötig: Computer schlagen Echtspieler mit Algorithmen

Inwieweit kommt es beim Pokern in erster Linie auf Glück an, und zu welchem Maße sind Übung, strategisches Denken und psychologisches Geschick ausschlaggebend für den Gewinn? Zahlreiche Universitäten haben das Thema bereits untersucht, ebenso wie begeisterte Informatiker und Programmierer, die erforschten, ob sich das Spiel mit verdeckten Händen mit einem Computer gewinnen lässt. Zunächst stellte dies eine Herausforderung dar, denn immerhin sind Berechnungen auf Basis unbekannter Variablen schwer, und auch über Bauchgefühl oder Intuition verfügt kein Rechner. Umso mehr Begeisterung löste es aus, als der Kanadier Michael Bowling und sein Forscherteam ebenso wie Tuamas Sandholm und seine Kollegen vom Computer Science Department an der Carnegie Mellon University in Pitsburgh mit ihren Programmen gegen echte Spieler gewannen. Dies wiederum bewies, dass Glück in der Tat zweitrangig ist, um beim Poker zu gewinnen, und es in erster Linie auf mathematische Berechnungen und Algorithmen ankommt. Im Klartext bedeutet das: Wer mehr Erfahrung besitzt und schlauer kalkuliert, hat größere Gewinnchancen.

Nicht zuletzt deshalb sind immer mehr geübte Spieler in der Lage, ihre Spielleidenschaft zum Beruf zu machen. Theoretiker gehen sogar soweit die Wahrscheinlichkeitsberechnungen von Poker mit den unbekannten Faktoren einer Geschäftsverhandlung zu vergleichen und analog mit Angebotsabgabe, Angebotsannahme und Angebotsablehnung zu setzen.

Kein Glücksspiel: Computer schlagen echte Spieler mit Algorithmen

Poker als lukrative Karriere

Ist Poker also ein lukrativer Karriereweg? Im deutschsprachigen Raum haben laut der All Time Money List Deutschlands, Österreichs und der Schweiz die 25 Top Poker-Spieler bisher zwischen 2,7 und über 32.5 Millionen US Dollar verdient, mit Fedor Holz aus Saarbrücken als Höchstverdiener. Der 27-Jährige, der heute als Unternehmer in Wien lebt, rangierte 2014 drei Wochen lang sogar auf Platz eins der Online-Poker Weltrangliste.

Internet-Pokerturniere erfreuen sich immer größerer Beliebtheit, ebenso wie Live-Poker auf Online-Gambling Seiten. Bisher war das elektronische Glückspiel in Deutschland nicht legal, was sich jedoch mit dem neuen Glücksspielstaatsvertrag, der am 1. Juli in Kraft tritt, ändern und den Weg zu noch mehr Popularität ebnen wird.

Als größtes Pokerturnier der Welt gilt derzeit die World Series of Poker, das üblicherweise in Las Vegas stattfindet, mit einem Buy-In von 500 US-Dollar und einem garantierten Preispool von fünf Millionen US-Dollar. Die World Series of Poker Europe besitzt ebenfalls unter Profis weltweit einen ausgezeichneten Ruf und wurde erstmals 2007 ausgetragen – damals gewann eine 19-jährige Norwegerin das Preisgeld von einer Million britischer Pfund und löste damit großen Medienrummel aus. 2019 wurde das Turnier zuletzt in der tschechischen Stadt Rozadov ausgetragen, Sieger Renat Bohdanow trug damals einen Gewinn von knapp 54.000 Euro heim.

Die Hansestadt Hamburg hat sich in Deutschland zur geheimen Poker-Metropole entwickelt, mit zahlreichen Casinos wie der Reeperbahn, Esplanade und Schenefeld wie auch diversen organisierten Poker-Clubs. Anrüchig ist an diesen absolut nichts, vielmehr gelten sie als Sportclubs mit festen Turniertagen, die Menschen aus allen Gesellschafts- und Bildungsschichten anziehen.

Poker fördert Verhandlungsgeschick im Beruf

Mit zunehmender Popularität von Online-Glücksspiel nehmen natürlich auch virtuelle Turniere zu, die in der Regel auf den Seiten der Internet-Casinos stattfinden. Die meisten Anbieter halten wöchentliche Events mit riesigen Preispools ab. Die World Championship of Online-Poker wurde zum ersten Mal 2002 abgehalten, 2016 hatte sich die Veranstaltung bereits auf 70 Turniere vergrößert, mit Preisgeldern von über 66 Millionen US-Dollar.

Poker ist aus der heutigen Gesellschaft nicht mehr wegzudenken, und es bleibt abzuwarten, ob es bald seine Kategorisierung als “Glücksspiel” verliert und ganz in die Welt der Strategiespiele und des Denksports verlegt wird. In der Tat erfordert Erfolg im Poker Disziplin, konsequentes Üben, psychologisches Geschick und gute Intuition – Fähigkeiten, die auch im Beruf und besonders bei geschäftlichen Verhandlungen eine wichtige Rolle spielen. Poker ist demnach nicht nur eine Freizeitbeschäftigung, sondern kann viele kognitiven Fähigkeiten verbessern und die Konzentration fördern. Mit der Zunahme des Poker-Angebots im Internet wird das Spiel zudem immer mehr Menschen und auch einem jüngeren Publikum zugänglich. Konsolen wie Xbox und PlayStation tragen ihren Teil dazu bei, das Spiel – natürlich ohne Echtgeld – sogar bei Teenager beliebt zu machen. Ob das einstige Ganoven-Spiel bald den ehrenwerten Ruf von Schach besitzt, bleibt abzuwarten.