Das Hamburger Stadtderby: Eine Rivalität mit Tradition
Es gibt viele Städte, die im Fußball ein Lokalderby haben. Zu den bekanntesten zählen Manchester, Mailand und Madrid. In Deutschland findet das traditionsreichste Derby aber in Hamburg statt. Die Begegnungen des HSV und des FC St. Pauli lassen jedes Mal wieder die Gemüter hochkochen.
Das macht sich nicht nur im Stadion und in den vielen Sportkneipen der Stadt bemerkbar. Auch die Buchmacher verzeichnen bei diesen Gelegenheiten einen Besucheransturm. Denn neben den Hardcore-Fans, für die Sportwetten heute einfach dazugehören, geben auch viele Fußball-Laien einen Tipp ab, wenn die beiden Rivalen aufeinandertreffen. Denn der Ausgang ist jedes Mal unsicher.
HSV: Der strauchelnde Riese
Das war nicht immer so. Denn von 99 Begegnungen in der Geschichte des Derbys gewann der HSV 60. Mit rund 84.000 Mitgliedern ist er weltweit auf Platz 19 der größten Sportvereine. Und die Fußballmannschaft des Clubs gehörte lange Zeit zur Spitze des deutschen Fußballs. Sechsmal wurde der HSV zwischen 1923 und 1983 Deutscher Meister, nach der Gründung der Bundesliga 1963 hielt er sich mehr als 60 Jahre in der 1. Liga. Seit den 90er Jahren schwächelt der Club jedoch und konnte nicht mehr an seine früheren Erfolge anknüpfen, 2017 stieg er sogar in die Zweitliga ab, wo er bis heute verbleibt. Und seit dem Abstieg hat sich die einst so glänzende Bilanz gegen St. Pauli ins Gegenteil verkehrt. In sieben Begegnungen konnte der HSV nur einen einzigen Sieg davontragen.
FC St. Pauli: Der Underdog
Der einst unterlegene St. Pauli gewann hingegen vier dieser Partien und ist somit der neue Favorit. Dabei war der Verein zuvor so lange der Underdog, dass dieses Image fest mit seiner Identität verwachsen ist. Traditionell gehören zur Anhängerschaft des Fußballclubs aus dem Stadtviertel St. Pauli die Arbeiterschaft und die linksalternative Szene von Hamburg, aber auch die Bürgerschaft. Im Vergleich zu vielen anderen Fußballvereinen, die heute wie Konzerne geführt werden, ist der FC St. Pauli immer nahe an seinen Fans geblieben und hat daher eine besonders treue Fangemeinde. An die neue Rolle als Sieger im Lokalderby muss sich der Verein noch gewöhnen. Das bedeutet aber nicht, dass die Fans keine Genugtuung aus den neuen Erfolgen ziehen.
Denkwürdige Begegnungen
Von mehr als 100 Begegnungen im Lauf der Geschichte des Derbys gibt es einige, die besonders hervorstechen. Der höchste Sieg gelang 1940 dem HSV mit 10:1, der größte Erfolg von St. Pauli war ein 8:1 im Jahr 1943. Die höchste Zuschauerzahl erreichte das Lokalderby 1986 beim Achtelfinale des DFB-Pokals. 58.000 Zuschauer verfolgten damals im Stadion, wie der HSV St. Pauli mit 6:0 aus dem Turnier schmiss. In jüngerer Zeit markierte das Bundesliga-Rückspiel vom 16. Februar 2011 einen Wendepunkt. Damals gewann der FC St. Pauli nach mehr als 30 Jahren endlich wieder einmal das Derby. Vorausgegangen waren fünfzehn sieglose Spiel in Folge gegen den HSV beim DFB-Pokal und in der 1. Bundesliga. Der Siegtreffer von Gerald Asamoah wird von den Fans bis heute gefeiert.
Vor dem Hintergrund dieser Geschichte bleibt es auch in Zukunft spannend. Gelingt es dem HSV, sich wieder aufzurappeln und zu alter Größe zurückzufinden? Oder muss er sich daran gewöhnen, im Lokalderby die zweite Geige zu spielen? Darum geht es bei jeder Partie aufs Neue.